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Religion und Videoke

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#467
0702
2012
Di
12:33
Tag
1705
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Wenn Religion Opium für das Volk ist, dann ist Videoke Crack für die Philippinos. Kein Droge macht schneller süchtig, wirkt stärker und produziert krassere Filme. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben? Pah! Auch die tiefe Gläubigkeit der Philippinos kennt ihre Grenzen. Sie heisst Videoke. Dafür lassen sie alles liegen und stehen.

Die Videoke-Anlage ist in jedem guten Philippinischen Haushalt wichtiger als Klo oder Herd, sie ist in etwa dem indischen Hausaltar gleichzusetzen. Ich sah primitivste Bambushütten mitten im Dschungel – mit dicksten Videokeanlagen. An solchen Plätzen wird häufig sehr gut gesungen. Sobald die Anlage an einem öffentlichen Ort steht sinkt das Niveau in der Regel drei Meter unter bodenlos.

Bisher dachte ich immer, es gäbe auf den Philippinen verdammt viele schwere Alkoholiker. Dem ist nicht so. Lediglich 1,5% werden von Gottesmännern im Rahmen der Messe rituell getrunken. Die restlichen 98,5% sind reine Videoke-Nebeneffekte: zuerst trinken die Philippinos um genug Mut zu haben, dann weil sie erkennen, wie schlecht sie sind und zuletzt um es wieder zu vergessen.

Unser letzter gemeinsamer Abend in Bulalacao beginnt mit drei eintönigen Partien Schach zu ein paar Bier. Danach wage ich das letzte Großprojekt dieser Reise anzugehen. Es ist einfach, ständig nur über jauelnde Hunde zu lästern, wenn man selbst nur bellt. Ich pirsche mich in den Gastraum, springe geschickt die Deckung der Tische ausnutzend ins hintere Eck und baue mich breitbeinig vor der Videoke-Anlage auf. Songmaster 5000 NX. Der Rolls-Royce unter den Videoke-Anlagen, über 10.000 Songs plus Videos.

Die Philippinos fangen schon an zu jaueln. Max und ich suchen unsere Songs raus. Niemand kennt uns hier. Wir müssen den Gesichtsverlust nur bis zum nächsten Morgen ertragen, dann sind wir weg. Ich verstand das bisher nicht: wie kann man nur trotzdem weitermachen, obwohl man ständig hört, wie schlecht man ist? Nach meinem ersten Song weiss ich es: Gin. Einfach nur Gin. Sie trinken Unmengen. Wir auch.

Gin macht alle gleich. Ich kann besoffen nicht singen. Schräg, aus dem Rythmus und der Text von American Pie ist schnell. Das merke ich sofort. Aber ich mache weiter. Wir setzen uns wieder, noch eine Runde Gin. Die Thekentukke gibt einen Song von Erasure zum Besten. Runde Gin. Und noch ein Song. Noch ’ne Runde. Noch ein Song. Ich bin recht bald platt und geh ins Bett. Max spielt noch bis zwei Uhr weiter. Videoke ist lustig, wenn man erst mal mitmacht. Aber Crack ist glaub ich nix für mich. Mission accomplished.

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2 Kommentare

  • judith schreibt am Dienstag, 7.2.2012 um 13:42 Uhr:

    dann doch lieber gediegenes livemusizieren auf der terrassa, in den ersten lauen nächten…*

  • ff-webdesigner schreibt am Mittwoch, 8.2.2012 um 7:36 Uhr:

    gerne! freu!

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