Das fünf Stunden südlich von Pucon gelegene Puerto Varas am Llanquihue See ist eine der letzten großen Städte vor den unendlichen Weiten Südpatagoniens. Im Margouya Patagonia Hostel, einem gut hundert Jahre alten herrschaftlichen Haus verbringe ich einige Tage über Silvester. Die Französischen Besitzer haben das Anwesen in einen wahren Backpacker Himmel verwandelt: Kaminfeuer, freistehende Badewannen und eine am Ferseher hängende Festplatte mit massig guten Filmen sind eine willkommene Abwechslung zum schnellen Reisen.
Puerto Montt macht leider den gleichen Fehler wie Pucon: es versaut seinen von alten Holzhäusern geprägten Charme durch maßstabslose Betonbunker. Die größten stehen direkt im Luv vor dem einzigen kitebaren Strand der näheren Umgebung. Die Hügel bremsen den hier typischen kalten Südwind aus den Fjorden Patagoniens. Die Bunker töten ihn endgültig. Keine Chance, hier zu kiten.
Mit einem Mountainbike fahre ich Zwölf Kilometer an der Eisenbahn entlang zwischen saftigen Wiesen voller Wildblumen um den See in das kleine Dorf Llanquihue. Der See spuckt einen glasklaren wilden Fluss nach Süden Richtung Puerto Montt in die Fjorde aus. Einen Kilometer weiter finde ich den perfekten Kitestrand. Weicher scharzer Vulkansand auf einem 50 m breiten sehr flach abfallender Strand, kaum Hindernisse und Wind 15 Knoten sideshore ohne Verwirbelungen. Meine zwei Optionen sind entweder jeden Tag 25 km mit Bike oder Bussen rüberfahren – oder eine richtig teure Hütte am Strand mieten. Ich entscheide mich für die dritte Option, lege mich ins weiche Gras und bewundere den perfekten Kegel des Vulkans Osorno auf der anderen Seite. Die nächsten drei windlosen Tage nehmen mir Entscheidungen ab.
Zu Silvester gibt es ein großes Barbecue mit 40 Gästen. Die Hostel-Betreiber rechtfertigen mit ihren Zaubereien mal wieder alle Vorurteile gegenüber der Französischen Küche. Gute Gäste aus aller Welt bringe viele Geschichten. Dank einem Mailänder Profispieler weiss ich jetzt, dass wir Weltmeister im Minigolfen sind. Die unwichtigen Sachen gehen in massig gutem Wein unter. Zu Mitternacht laufen alle an das Ufer des Sees. 80.000 Menschen bewundern eines der größten Feuerwerke des Südens. Ich und meine Furcht vor Menschenmassen bleiben mit Wein zurück im Hostel. Ein Pärchen im ersten Stock lässt die Wände wackeln, dann kommen die ersten Klaustrophobiker wieder zurück.
Die Saltos de Petruhe sind einer der größten Katarakte Chiles. Mit dem Bus erreicht man sie binnen einer guten Stunde ab Puerto Varas. Unglaubliche Wassermassen strömen über einige Meter Basalt staubend in azurblaue Tiefen. Ich kann mich lange nicht entscheiden, ob mit die Menschenmassen oder die Wassermassen mehr Angst machen, entschließe mich dann aber wegen der in Chile für Ausländer immer doppelt so teuren Nationalpark-Eintrittspreise für keines von beiden. Zurück in Puerto Varas entzückt mich eine Waschmaschine mit lieben 30 € für eine Ladung als bestes Angebot in einer 20.000 Einwohner zählenden Stadt.
Die nächsten zwei Tage sind typisch Patagonien. Es regnet nonstop. Kaum einer verlässt das Haus. Um die drei Plätze auf der Couch vor dem Kamin entbrechen mehrere Kriege. Der Wein schmeckt weiter, die Arbeit läuft, gutes Essen wird geteilt, aber ich bin irgendwie sehr reisemüde. Normalerweise erschaffe ich aus kleinen Sachen große Geschichten. Mir werden massig gute Geschichten zu Füssen gelegt, aber ich weiss gerade rein gar nichts damit anzufangen.