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km 16.371: Buenos Aires / Going Home

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2018
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Nach drei Monaten mit mehr als 16.000 km über Land und Wasser geht meine bisher größte Reise in Tango Town Buenos Aires zu Ende. Ich ziehe ein letztes Mal zu Fuss viele Kilometer weit in abgelegene Gebiete. Am Rande von La Boca wirkt die dritte Anwohner-Warnung, ich möge doch bitte meine Spiegelreflex verstecken. Die Straßen sind verbarrikadiert und die Gestalten lassen tatsächlich das erste mal seit Jahren meine Alarmglocken bimmeln.

Buenos Aires überrascht mich mit der breitesten Allee der Welt, tausend Statuen, großen Parks voller Kautschuk-Bäume und einer wunderbar quirligen Mischung aus aller Herren Länder. Die Mansarden-Paläste versetzen dich ins Paris des frühen 19. Jahrhunderts, die entgegen dem Verkehr linksläufige U-Bahn nach London. In drei Tagen steige ich nur ein einziges mal in die richtige Richtung ein.

Im Gegensatz zu anderen Ländern Südamerikas wurde Argentinien von den Conquistadores links liegen gelassen. Das Gold wurde erst Jahrhunderte später gefunden. Bis dahin gab es nur wenige Ureinwohner abzuschlachten – und noch weniger Arbeitskräfte, um das unendlich weite Land zu bewirtschaften. Heute ist in Argentinien praktisch jeder in maximal zweiter Generation ein Einwanderer. Das Sprache ist kastellanisches Spanisch, doch viele Worte kommen aus dem Französischen oder Italienischen. Der Britische vier-Uhr Tee wird um sieben eingenommen. Nachfahren von deutschen Nazi-Verbrechern sitzen in den gleichen Bars wie Mitglieder der großen jüdischen Gemeinde. Der Fussball und der Tango halten alles zusammen.

Die Unterschiede zwischen arm und reich sind wie in allen Großstädten Südamerikas gigantisch. Aber im Gegensatz zu Quito, La Paz, Lima und Santiago schlafen die Obdachlosen hier in der Regel auf Marmor – mit eigener Matratze. Der alte Hafen Madera ist die Luxus-Barrikade gegen die direkt dahinter beginnenden armen Viertel in La Boca. Google, Oracle und andere Riesen bilden eine hohe Mauer aus weissem Beton und hellem Licht.

Mein Hostel Estoril ist ein absoluter Traum. Mitten im Zentrum, Baujahr Haus und Aufzug 1900, U-Bahn und Flughafen-Bus direkt vor der Tür. Ich bekomme ein vier Meter hohes Doppelzimmer zum Preis eines Dorms – und der ist ohnehin niedrig. 2006 wurde das Hostel zu einem der zehn besten weltweit gewählt. Die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft des Teams unter Israelischer Führung begründen warum.

Am letzten Abend gönne ich mir Luxus. Das Steak im Puerto Madero wird mit einer Bierflasche im Silberkübel serviert. Der Preis ist angemessen hoch. Wegen mal wieder acht nötigen Banken zum abheben von 120 € komme ich etwas zu spät für den Sonnenuntergang in Buenos Aires höchste Bar an. Chilliger House beschallt aus guten EV Boxen den Geldadel über wenigstens 250 € teuren Zimmern im 32. Stock des Alvear Icon Hotels. Die Dämmerung zieht zu einem California Sunset über die Stadt herein. Dann schaltet Buenos Aires ein Licht nach dem anderen an. Sie schimmern still in der heiss-schwülen Abendluft. Diese Reise ist zu Ende. I’m Going Home.

Die Reise war so viel: hart, weit, lang, faszinierend,und in jeder Weise fordernd und erfüllend. Vieles lief grandios schief: Zum ersten Mal seit zehn Jahren Reisen wurde ich übel bestohlen. In Sanata Marianita (Ecuador) biss mich ein Kampfköter in den Fuss. Die Infektion erforderte eine Woche Breitbandantibiotika. In Mancora fing ich mir einen schweren Infekt ein, der mich einige Tage mit hohem Fieber ins Bett warf. Der Husten war erst nach einem Monat wieder weg. Ab Cuenca und vor allem in Bolivien hatte ich eine mehrwöchige aber wenig befriedigende Affäre mit fortgeschrittener Höhenkrankheit auf bis zu 4.800 m.

Ohne gestohlenem Führerschein wollte mir niemand einen Mietwagen für meinen großen Traum Carretera Austral Patagonien geben – viele Mühen brachten keinen Ersatzfahrer. Damit fiel auch das Kiten vor Gletschern flach. Der Wind war oft woanders als ich und meine 25 kg Kitegepäck. Busbelader zockten immer wieder unerverschämte Aufpreise für meinen Kitebag ab. Einen netten Teil meiner Kleidung kassierten Wäschereien unter mannigfaltigsten Ausreden. Sonnenbrillen, Kopfhörer und andere Kleinigkeiten entmaterialisierten sich. Doch immer wenn ich glaubte: jetzt reichts! Ging es weiter. Mit weniger. Glücklicher.

Vielen Dank an die unglaublichen Menschen, die Abschnitte dieser Reise mit mit geteilt haben: Paty Burgos, Thomas Stephan, Nina Bird, Brian Iten, Stuart Baird, José Lara Garcia, Richard Kessell, Mathew Robert Symonowicz, Eleonora & Johnny Engelbrecht, Norbert Herre, Jason O’keeffe, Inge van den Herrewegen, John Wloch, Christian Kroh, Jhonathan Lopez Zapata, Francisca Rodriguez Opazo, Be Ne, James Brodie, Kat Gat, Nicole Romero Valenzuela, Maxwell Joseph, Mads Emil, Christian Bustos, Luke Hillier, André Thalmann, Mark Cox, Paulina Johan, André Fretz, James Sharratt and Gustavo Sepulveda, Veronica Fernandez Vila.
Thank you all! Muchas Gracias!

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2 Kommentare

  • we-love-webdesign schreibt am Dienstag, 27.3.2018 um 9:24 Uhr:

    Toller Beitrag, danke das du uns über deine Erfahrungen berichtet hast.

    Liebe Grüße

  • ff-webdesigner schreibt am Dienstag, 27.3.2018 um 9:45 Uhr:

    Aber bitte gerne! Auf Anfrage erteile ich auch gerne gratis Lektionen in erfolgreichem Kommentarspam.

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