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Nasse Unterhosen in Puerto Viejo

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#596
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2015
Sa
4:01
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Auf einer alten löchrigen Eisenbahnbrücke ziehen wir unsere Kitebags über die Grenze nach Costa Rica. Die Formalitäten sind minimal. Hamburg liessen die Mistfliegen von Condor unter der Falschaussage nicht ins Flugzeug, ihr Rückflugticket müsse aus dem gleichen Land sein. Die Flugtickets will hier kein Grenzer sehen.

Der erste Stop in Costa Rica ist Hippie-Central Puerto Viejo, ein etwas zu tiefenentspanntes kleines Surferdorf auf der Karibik-Seite. Die nicht-Kiffer sind hier eine radikale Minderheit, Antialkoholiker stehen auf der roten Liste. Die Rastas kiffen überall und ständig. Den Dübel bei vorbeifahrenden Polizeiautos nicht aus dem Mund zu nehmen gehört hier zum guten Ton.

Ich arbeite einige Stunden wichtige Homepage-Updates ab, dann laufe ich durch das Dorf. Kunderbunte kleine Hütten, massig Restaurants, Bars und jede Menge reichlich kaputte Reisende. Das ist nicht mehr nur relaxed. Die Tiefenentspannung der Freaks hier erreicht einen Abhängfaktor, der nur von nassen Unterhosen auf der Wäscheleine übertroffen wird.

Ein geistig behinderter stolpert besoffen über mein Füsse „I jus drink, no eat, haw haw…“ stammelt er stolz. Der einarmige Bandit presst mir die Story von sieben Schrauben in seinem Mund rein. Die wenigestens ein Dutzend weiteren lockeren im Hohlraum darüber bleiben aussen vor. Ein grenzabgedichtetes Hippiemädel aus den USA klärt mich darüber auf, dass Deutschland zumindest den zweiten Weltkrieg nicht begonnen hätte, da es ja dank der Reparationszahlungen aus dem ersten Weltkrieg praktisch schon über einen Wirtschaftskrieg angegriffen worden wäre. Mich nervt unsere verabgötterte heilige Erbschuld, aber noch mehr nerven mich  Geschichtsverdreher. Ich mache erstmals einen ganzen Tag keine Bilder. Wahnsinn ist recht monoton, wenn er derart gehäuft auftritt.

Mel B. gibt nochmal Vollgas, bevor wir früh morgens um halb sieben im strömenden karibischem Regen zu neuen Zielen aufbrechen. Der Bus nach San Jose braucht gute fünf Stunden. Eine weitere brauchen wir von Busbahnhof zum nächsten ATM und mit dem Taxi zum Flughafen, wo unser Mietauto wartet. Die Adresse am Voucher stimmt nicht, aber der Verleiher holt uns schnell ab. Eine weitere Stunde später sind wir für nur 40 € am Tag endlich micro-mobil.

Ich rufe den „Mitarbeiter“ von Condor am Flughafen San Jose an:  „I don’t work for Condor and I can’t help you with you baggage.“ Oder kurz: die Mistfliegen schaffen es auch im zweiten Land und am zweiten Flughafen nach 14 Tagen nicht, mir endlich mein verlorenes Gepäck zu liefern. Schlimmer, nachdem sie schon die Ankunft des Gepäcks in Panama und dessen Weiterbeförderung nach Costa Rica bestätigt hatten, wäre es jetzt aufeinmal doch noch nicht einmal aus Deutschland abgeflogen. Ich koche nach über 30 Emails und vom Ausland aus wunderbar günstigen 2,5h in der Condor Hotline.

San Jose liegt auf 1000m in einer von mächtigen wolkenverhangenen Bergen umgebenen Hochtal. So stellte ich mir La Paz vor. Die Berge sind wunderschön, aber San Jose ist eine einzige unendliche Ansammlung von auf Hügeln geschissener metastasierender Zersiedlungsmanie. Für die 70 km vom Flughafen bis Orosi brauchen wir trotz fast perfekter Navigation geschlagene vier Stunden durch die dichteste Rushhour aller Zeiten. Jetzt kochen wir beide und fahren die Krallen aus. In den Wolken über den Berghängen öffnet sich ein Loch. Die Sonne scheint kurz durch die Himmelsklobrille, und ich erwarte jeden Moment einen gigantischen Scheisshaufen aus dem Himmel auf unseren Freitag den 13. fallen zu sehen. Aber nicht mal das passiert.

In Orosi kommen wir erst in finsterer Nacht an. Es regenet. Das Navi kennt die Adresse des Hotels nicht. Wir fragen uns einige Zeit durch. Nichts wird mehr passieren: weder Gleitschirmfliegen vom Vulkan, noch Thermalbaden, noch Bergsteigen. Nichts. Einfach essen, schreiben, schlafen, und Condor verfluchen. 12h on the Road heute, und der Weg gab ein erbärmliches Ziel ab.

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Ein Kommentar

  • carin woelky schreibt am Sonntag, 15.2.2015 um 10:15 Uhr:

    wäre doch zu einfach, wenn alles glatt laufen würde. schade,dass am flughafen keiner weiß, was der andere tut.

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